Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 93

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
93
Original-Paginierung
89 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233561
Content
89 in dem unheimlichen Haus lärmte'und polterte, und heulte und schrie, was dröhnend an die Türe schlug, was bis zu dieser Minute rumort" — Wie ein elektrischer Schlag ging es in diesem Augenblicke durch die Menge. Aus der Richtung, in welcher das Beinhaus lag, erscholl neuerdings ein schriller unheimlicher Schrei. Er glich dem letzten, furchtbaren Rufe eines in der Todesangst Verzweifelnden. „Was dort rumort," fuhr ein Mann leiser fort, während eine schreckliche Blässe sein Gesicht entfärbte, „das ist nichts Menschliches, das ist der andere, der Berge zertrümmert, und große Felsen in die Luft trägt. Wir sind in der Hand der Bösen, und ein Wagnis wäre es, den schlimmen Feind noch mehr zu reizen. Gott sei uns armen Sündern gnädig." Mamsell Kathon ermangelte, wie schon erwähnt, nicht des Mutes. Sie hatte es obendrein für ihre Schuldigkeit gehalten, in diesem kritischen Augenblicke, dem sogar der Herr Pfarrer erlegen war, die Autorität der Kirche aufrecht zu erhalten, obwohl heimlich bebenden Herzens und nicht ohne große innerliche Angst. Unter dem Eindrücke des letzten Geheuls war das Gebäude ihrer Courage gänzlich zusammen--gebrochen. Auch sie wankte nun und wich. Da kam aber im letzten Augenblicke Hilfe. Ein kleines, struppiges Kerlchen war es, das da lustig herabgeschritten kam. Ans dem Kopfe trug es einen fremdartigen, breit rämpigen Hut und in den Händen allerlei Brechwerkzeuge. Der welsche Peter hieß das Kerlchen, weil es sich in aller Herren Ländern herumgetrieben, sogar auf der See, zumeist aber in Italien. Der Peter war fast so gefürchtet als der Gottseibeiuns selber. Er glaubte nichts Absonderliches und behauptete, daß alles in der Welt mit natürlichen Dingen zugehe. Seine Verderbtheit äußerte sich ganz hervorragend darin, daß er iiN Jahre 1870 mit den Italienern in die Stadt Rom eingezogen war, wo sie den Papst sofort in einen dunklen Kerker sperrten, in welchem ihm selbst das Stroh zu wenig ward — so wenigstens erzählte man sich in * *, obgleich der Welsche immer ganz schrecklich dazu lachte und meinte, des heiligen Vaters Palast in Rom sei noch immer weit schöner, als z. B. die Burg des Kaisers von Oesterreich in Wien. Mamsell Kathon war ein starkes Herz. Ihre erste Regung ging dahin, dem Welschen den Rücken zu zeigen. Aber ihr scharfer Verstand sagte ihr gleichzeitig, daß dies der einzige Mensch sei, mit dessen Hilfe sie in diesem kritischen Momente ihren Willen durchsetzen konnte —- und dieser Wille drängte sie, Klarheit zu bringen in diese entsetzlich unheimliche Geschichte, Klarheit in der Weise, daß ihre Autorität als erste Hüterin des Glaubens und der Sitte gekräftigt ans der Katastrophe hervorgehe. Was droben im fürchterlichen Beinhause vorgegangen sei, darüber hatte sie selbst nur sehr dunkle Vorstellungen. An einem Besuch des Bösen in höchst eigener Person glaubte sie nicht, denn was hatte die im ganzen fromme Gemeinde getan, um solche Prüfung zu verdienen? Aber irgend ein Wunder konnte schon geschehen sein, ein recht ausgiebiges vielleicht — und ein solches wäre gerade recht gewesen in dieser gefährlichen Zeit. Sie gab dem Peter einen Wink und ging voran. Laut kreischten die Weiber auf und die Männer rangen die Hände. Eine Weile wurzelte die Menge wie sest-gebannt am Boden. Dann tat der eine einen scheuen Schritt vorwärts und hierauf einen zweilen. E n anderer folgte und ein dritter. Und endlich wälzte sich der Haufe den zweien nach. Der Menschen Neugierde ist unter Umständen noch immer größer als ihre Furcht. Nun standen sie vor dem Beinhause. Es gab keinen unter ihnen, dem nicht das Herz stürmisch gepocht hätte, und selbst der Welsche gestand hinterher, daß ihm (i I '
 
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