Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 88

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
88
Original-Paginierung
84 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233518
Content
r 84 '¦à Die telephonische Watsch'n. KH ie Sommerfrischler waren fortgezogen. Ein plötzlicher Wettersturz, der über das lustige Baumheim dahingerast war, hatte denselben Angst und Schrecken eingejagt, so daß sie nichts Eiligeres zu tun hatten, als ihre Koffer zu packen, sich schnell zu verabschieden, um mit dem nächsten Zuge aus dem „tückischen" Baumheim, wie sie das freundliche Oertchen mit den biederen Bewohnern nannten, fortzukommen, denn sie fürchteten, daß sie am Ende gar eingeschneit werden könnten. Nun so schnell geht das freilich nicht, aber so ein empfindlicher Städter fürchtet halt gleich das Schlimmste. Wie alle Bauern des Dörfleins hatte auch der Tonibauer einen Sommerfrischler zu Gaste, der jetzt ebenso wie seine Kollegen Anstalten traf, so schnell als möglich aus dem gefährlichen Bereiche fortzukommen. Alle Vorstellungen des Toni-bauers, daß es wieder schönes Wetter geben werde, blieben fruchtlos. Es war auch kein Wunder, daß der Tonibauer den Stadtherrn ungern ziehen ließ. Hatte dieser doch manche Stunde mit ihm auf dem Bänklein vorm Hause geplaudert und manche Ungeheuerlichkeit erzählt, daß dem Tonibauer die Haare zu Berge standen. Ganz, besonders-, interessierte er sich fürs Telephon, über welches der vornehme Stadtherr genügende Auskunft erteilen konnte, denn er war „Telegraphenherr", wie ihn der Tonibauer nannte. Der „Telegraphenherr" zahlte nicht nur gut, sondern war auch ein großer Schalk, welcher das „elektrische Red'n" als Gott weiß was für ein Wunderding hinstellte, so daß der Tonibauer und sein Weib, die Bärbel, Mund und Augen aufrissen. Die guten einfachen Leutchen, welche nie über die Heimatgrenze hinauskamen, konnten stch's gar nicht vorstellen, wie es möglich sei, durch das „Zauberkastl" sich mit jemanden, der viele hundert Meilen weit weg wohnte, so unterhalten zu können, wie wenn sich derselbe in der nächsten Umgebung befände. Allein ihr Erstaunen wuchs noch ums Doppelte, als der Stadtherr erzählte, daß man durch das „Zauberkastl" auch mit jemanden tüchtig streiten, ja deniselben auch ein paar tüchtige „Watschn" herunterhauen könne, ohne daß dieser die geringste Ahnung, habe, von wem er plötzlich so bewillkommnet werde. Herrgott, das wäre so etwas für den Tonibauer! Schon seit vielen Jahren führt er einen Prozeß mit bent Holzbauer aus dem nächsten Dorfe wegen eines Fußsteiges über seinen „hintern Grund". Selbstredend schob er alle Schuld auf beit Nachbar, der in seinen Augen ein rechter Dickschädel war und die Sachlage wurde immer erbitterter. Wenn er nur den einmal ans Telephon bringen könnte ! „Dem würde ich mit demselben ein paar herunterhauen," eiferte er und spuckte in die Hände, „so ein paar, daß ihm Hören und Sehen vergehen würde und aufs Prozeß-führen nimmer dächte!" Der Stadtherr war fort, nicht daß er zuvor dem Tonibauer nochmals das sonderbare „elektrische Ding" genau erklärt hätte, aber als er außer Sehweite war, konnte er sich eines weithin schallenden Lachens nicht enthalten. Im Gehirn des Tonibauers jedoch keimten die telephonischen Ideen weiter. Wenn er nur einmal Gelegenheit hätte, das seltsame Ding zu sehen! Da würde er sich schon gehörig überzeugen, was Wahres an der Geschichte ist. Die ersehnte Gelegenheit sollte sich dem Tonibauer jedoch sehr bald bieten. Der Zufall brachte es mit sich, daß er eines Tages in die nächste Kreisstadt fahren mußte, um ein wichtiges Geschäft abzuschließen, denn der Tonibauer betrieb außer seiner Landwirtschaft einen ausgedehnten Kuhhandel. Das war einem großen Fleischhauer in der Kreisstadt zu Ohren gekommen, welcher den Toni brieflich bat, er möge sobald als möglich zu ihm kommen, da er ihm sämtliche Einkäufe zu über- I i
 
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