Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 84

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
84
Original-Paginierung
80 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233471
Content
r 80 Kerzchen ausstreckte, auf den Knieen, auf seiner Seite stand mit gefallenen Händen das blasse Gretchen, das sich heute bereits in ihr warmes, sehnenden Herz gestohlen: „Klärchen," rief der Gatte ihr entgegen, „sieh nur, was uns heute das Christkind bescheert hat. Wirst Du die Kinder liebevoll an Dein Herz nehmen? Sie sind das Vermächtnis einer armen Mutter, die ihr Liebstes in meine Hände gelegt." Da kniete auch schon Frau Klara an seiner Seite und schlang tränenfeuchten Blickes ihre Arme um die beiden Kinder. „So, ist sie todt, die Arme? flüsterte sie. „Gewiß, Arthur, will ich dieses Christgeschenk annehmen und mich nach besten Kräften bestreben, die verstorbene Mutter zu ersetzen." „Du gutes, liebes Herz," flüsterte er, einen Kuß auf ihre Stirne drückend, so habe ich mich nicht in Dir getäuscht." Da schlangen sich weiche Kinderarme um den Hals der Knieenden und Gretchens Stimme flüsterte in ihr Ohr: „Ich will Dich lieb haben, o so lieb!" Innig preßte Frau Klara das Mädchen an ihre Brust und sagte: „Nun ist mein innigster Wunsch erfüllt, Gott hat mir zwei unschuldsvolle Kinderherzen zugesandt, die ich bilden, hegen und pflegen darf. Welch' ein frohes Weihnachtsfest!" „Gott wird Deine Barmherzigkeit reichlich belohnen, Klara. Und wie wird die arme Helene sich fteuen, wenn sie ihre Lieblinge so wohl geborgen sieht." m II f Der UMternachtsgruß. (Eine Erinnerung von Alfred Friedmann.) /Min frischer Herbsttag wars, als ich nach St. Leonhard im schönen Tirol kam. Im Gasthof „Zum Posthorn" stieg ich ab, und dort gefiel mir's wohl. Von meinem Fenster aus sah ich die Passeyer ihr romantisches Bergtal entlang nach Meran zu, ins Etschgebiet fließen. Stille Alpenriesen blickten majestätisch zu mir herab und von der zerfallenen Jaufenburg konnte ich in Gedanken übers Timberloch nach dem Oetztal und mit der unfernen Brennerstraße in herrliche Land Italien ziehen. Es zog mich aber gar nicht hinweg. Die alte, noch schöne Wirtin „Zum Posthorn" besaß zwei muntere Töchter, die mir drei-, wohl auch viermal am Tage und in der Nacht Speise und viel Trank vorsetzten, denn die reine Luft und das viele Bergsteigen machte lustig und hungrig. An den Wänden hingen Bilder des Passeyerwirtes Andreas Hofer, und gar oft summte ein neuer oder ein alter Gast das schöne Lied: „Zu Mantua in Banden Der treue Hofer war. . . ." Auf einem alten Klavier lagen zerlesene Bücher Ludwig Steubs, wohl eines Nachkommen jenes Josef Steub, der mit Speckbacher, Hofer, Haspinger und Peter Meyer 1809 gegen die Franzosen gekämpft. Es wurde von jenen Tagen noch immer gesprochen und es freute mich, die Kunde von der Befreiung Tirols noch so frisch wie damals im Herzen des Volkes fortleben zu sehen. Wie's kam,' weiß ich nicht, aber ich mochte aus dem gemütlichen Orte gar nicht mehr fort. Besonders am Abend war's im „Posthorn" gar angenehm zu leben. '4 1 I
 
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