Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 73

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
73
Original-Paginierung
69 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233368
Content
69 Und natürlich wirst du jetzt jede Nacht im Wirtshause zubringen? Wenn du etwa denkst, Ignaz, daß ich deinetwegen aufbleibe, so irrst du dich. Nein und ich werde auch nicht aus dem warmen Bett herausgehen, um dir aufzumachen. Nein und die Susi wird auch nicht auf dich warten, um dich hereinzulassen. Und den Hausschlüssel bekömmst du ebenfalls nicht, denn ich werde mich nicht einsperren lassen, um nicht hinaus zu können, wenn etwa im Hause etwas passiert; ebensowenig bleibt die Türe auf oder soll ich vielleicht riskieren, daß sich einer hereinschleicht und mich samt den Kindern umbringt? .... Pfui! Fi! Hm! wie er nach Tabak riecht! Es möchte einem übel werden. Du weißt, daß ich den Tabaksgeruch nicht leiden kann, aber nichtsdestoweniger wird flott geraucht. „Du rauchst nicht?" Gleichviel; wenn du mit Leuten umgehst, die rauchen, so bist du ebenso schuldig, wenn nicht schuldiger. Du kannst dann gerade so gut selbst rauchen; das wäre noch gescheiter. Ja, gescheiter wäre es, selbst zu rauchen, als die Haare und den Bart voll vom Rauche anderer zu haben. Ich habe noch nie gehört, daß ein Mann, der in ein Wirtshaus geht, ein gutes Ende nimmt. Er kommt da in eine saubere Gesellschaft, ja in einen Auswurf von Männern, die sich damit brüsten, ihre Frauen wie Sklavinnen zu behandeln und ihre .ramilien zu ruinieren. An solchen Orten ist es, wo man mit Lumpen, wie der Müller zum Beispiel, zusammenkommt. Schau einmal hin, wie weit er es gebracht hat. Er kommt vor 2 Uhr morgens nicht zu Hause und in welchem Zustande! Er wirft die Türe hinter sich zu, poltert die Treppe hinauf und stößt an alle Möbel an, daß seine Frau Augst bekommt und sich kaum zu schnaufen getraut. Aber glaube nur ja nicht, daß ich wie die Frau Müller sein werde. Ich werde so etwas nie in meinem Hause dulden; und du dürftest dich aufführen, wie du wolltest, so werde ich mich nicht abhalten lassen, dir meine Meinung zu sagen. „Du behauptest, nicht bis 2 Uhr morgens auszubleiben?" Wie kannst du wissen, was du tun wirst, wenn du mit solchen Leuten Umgang hast? Die Männer können nie für ihre Handlungen gut stehen, wenn sie unter sich sind. Sie denken nie an ihre armen Frauen, die" daheim vor Angst vergehen und nicht wissen, was ihre Männer treiben. Du wirst morgen ein schönes Kopfweh haben oder vielmehr heute, denn es muß Mitternacht längst vorüber sein. „Du wirst kein Kopfweh bekommen? Desto besser für dich, wenn es wahr ist, aber du wirst es morgen schon spüren, dann glaube aber nur nicht, daß ich dich pflege, denn wenn auch du kein Kopfweh haben wirst, so werde ich Kopfweh haben, wenn ich an deine Lüderlichkeit denke. Ah, schon wieder ein ganzer Schübel von diesem abscheulichen Tabaksgeruch! Nein, ich werde wieder die ganze Nacht nicht schlafen. Wie soll man schlafen können, wenn man erstickt? . . . Ja, mein Herr Ignaz, du wirst hübsch unwohl sein morgen; aber bilde dir etwa nicht ein, daß ich dir dein Frühstück ans Bett trage, wie es die alberne Frau Müller macht. Nein, so eine Närrin bin ich nicht. Ich werde auch meinem Hause die Schande nicht antun, schon in aller Früh Bitterwasser holen zu lassen, damit die Nachbarn nicht etwa sagen können: „Aha, der gute Griesmeier hat sich gestern einen Rausch angetrunken und nun will er seinen Katzenjammer vertreiben!" . . . Nein, mein lieber Ignaz, ich respektiere meine braven Kinder, ich wenigstens, wenn du sie nicht respektierst. Und um 11 Uhr bekommst du keine Fleischbrühe und mittags kein Fleisch; nicht ein Viertelpfund kommt mir ans Feuer, du kannst dich darauf verlassen. „Du brauchst kein Bitterwasser und keine Fleischbrühe und auch kein Fleisch?" Um so besser, denn du würdest auch keines bekommen, wenn du es wolltest. Was der Mann im Wirtshause vertrinkt, muß durch Sparsamkeit in der Haushaltung wieder hereingebracht werden. „Du trinkst nicht mehr, als zwei, höchstens drei Gläser?" Ì I
 
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