Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 63

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
63
Original-Paginierung
59 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233261
Content
HH 59 spannte er das Bernerwägelein an und fuhr dann so rasch als möglich der nahen Kreisstadt zu. — Cenzi war gerade mit der Reinigung des Geschirrs beschäftigt, als Sepp in die Behausung ihrer Dienstherrschaft eintrat. „Cenzi," sagte Sepp ernst, „ich bin gekommen dich auf den Lenzenhof heimzuholen." „Wen, mich?" „Ja dich! Der Vater will es so," und nun berichtete er der Ueberraschten und zugleich betrübten, was ihn herführe. Die Herrschaft Cenzis war bald verständigt und schon nach einer Stunde rollte mit den beiden das Bernerwägelchen davon, das sie dem Lenzenhof zuführte. Unterwegs erzählte Cenzi auch, wie sie zu der Zeitung gekommen war: „Es ist gerade, als wenn sie mir durch eine Fügung des Himmels in die Hand gegeben worden wäre. Ich wollte früh mit mehreren Zeitungen Feuer anmachen, und als ich sie zerriß, siel mein Blick gerade auf die Aufforderung. Ich steckte das Blatt ein, nicht weil ich hoffte, es dir übergeben zu können, sondern weil dein Name darin stand. Um so erfreuter war ich, als ich dir den Nachmittag begegnete und dir die Zeitung zustellen konnte." „Ja warum bist du aber so schnell wieder verschwunden?" fragte Sepp. „Ich wollte nicht aufdringlich sein." Abends trafen sie auf dem Lenzenhof ein. Cenzi wurde von der Bäuerin freundlich empfangen; aber den Bauern durfte sie heute nicht mehr sehen, da sich seiner neuerdings eine ziemliche Schwäche bemächtigt hatte. Am anderen Morgen verlangte er selbst nach den jungen Leuten. Erfreut und betrübt zugleich traten sie an sein Bett. Sepp bemerkte, daß sich der Vater merkwürdig verändert hatte und ganz verfallen aussah. „Sepp — Cenzi!" klang es schwer von seinen Lippen und dabei suchte er die Hände der beiden mit seiner Linken zu umfassen. Ein vielsagender Blick traf sie; dann lief ein merkwürdiges Zucken durch den Körper des Vaters, ein Seufzer hob seine Brust — und seine Seele war entschwebt. Dre beiden sanken an dem Lager des Entschlafenen in die Kmee und vereinigten ihre Tränen und Gebete mit denen der Mutter, die dem Entseelten mit sanftem Druck die Augen zum ewigen Schlummer schloß. Im Herbst darauf führte Sepp seine Cenzi als Bäuerin auf den Lenzenhof, wo sie heute noch als alte Leute leben, umgeben von erwachsenen Kindern und blühenden Enkeln. : i i i ; 1 :
 
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