Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 52

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
52
Original-Paginierung
48 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233150
Content
I 48 was jetzt in seinem Busen brannte. Gewiß, der lange Holländer hatte Recht, das stand außer Zweifel. Oder leistet denn ein Mensch, der seine gesunden Sinne hat, aus freien Stücken achtjährige Sklavendienste? Blöder Tor, der er gewesen! Er schlug sich mit der Faust vor die glühende Stirn. Und aus seinem Sohn wollte dieser Karl jetzt einen Frömmler machen! Dönhoff stöhnte vor Wut. Was ging jenen sein Sohn an? Aber er war ja der Freund seiner Frau! Der Fischer fuhr halb vom Stuhle empor, als er dieser höhnischen Worte gedachte. Der Grimm durchraste ihn wie fressendes Feuer. Dann saß er wi der stundenlang und trank ein Glas nach dem andern, ohne sich nach seinem Schiff oder nach dem Stande des Wassers zu erkundigen. Eine neue Gedankenreihe war in ihm aufgetaucht und nahm in voll in Anspruch. Er dachte an die Strömung, die bei dem jetzigen Hochwasser oberhalb der Schleuse, wo sein Kahn lag, senkrecht vom Ufer abtreiben mußte, nach dem Steindamm hin, der sonst das Wasser für die Schleuse sperrte, doch jetzt von den empörten Wogen fußhoch überströmt wurde. Der Schiffer lauschte; durch den heulenden Sturm, der den Regen prasselnd wider die Fenster trieb, klang es, wie das dumpfe Rollen fernen Donners zur Bestätigung seiner Vermutung. Er nickte befriedigt und spann seine Gedanken weiter, Mußte er nicht ein neues Schiff haben? Das alte zog Wasser wie eine Pumpe und hatte fast keinen Wert mehr, war auch von Anfang an zu klein gewesen. Schon längst hatte er einen neuen Kahn kaufen wollen; die Mittel fehlten ihm nicht. — Er fühlte in die Tasche und strich liebkosend über das glatte Fell des wohlgefüllten Lederbeutels. Hierbei kam ihm sein Einschlagmesser in die Hand; er zog es hervor und ließ die Klinge vorschnappen, eine spannlange, blanke, gekrümmte Klinge von Haaresschärfe, Dönhoff nickte beifällig und ging in die Nacht hinaus. Der Wind benahm ihm fast den Athem; er mußte sich ordentlich dawiderlegen, um nicht uni geriffelt zu werden. Seine Bemühungen, möglichst leise aufzutreten, waren unnütz, denn das Brausen des Sturmes und das Rauschen des wild empörten Wassers verschlangen ihren Klang. Die Finsternis war fast greifbar, und er tastete vorsichtig vor sich hin, bis er den Rand der Ufermauer erreicht hatte Hier legte er sich flach auf den Boden und schob sich so weit vor, daß sein Oberkörper über dem gurgelnden und brodelnden Abgrund ging; seine Augen, die sich jetzt an die Dunkelheit gewöhnt hatten, entdeckten die glimmende Laterne des Kahns ein paar Klafter vom Ufer. Langsam tastete er nun mit der Hand an den schlüpfrigen moosbewachsenen Steinen der Bordmauer, bis er den Strick gefaßt hatte, an dem das Fahrzeug hing. Mit Genugtuung fühlte er, daß das Tau senkrecht abstand und von der durch die Strömung verzehnfachten Wucht des Kahnes heftig zitterte. „Das reißt beinahe von selbst," dachte er und trennte die Leine von dem Ring mit einem haarscharfen Schnitt. „Ich will Dich lehren aus meinem Jungen einen Bet- ; brúder zu machen," flüsterte er kaltblütig und horchte auf das dumpfe Geräusch des abtreibenden Schiffes. Jetzt gellt auch schon Karls Schrei: „Heinrich, das Schiff ist frei — wir I ¦ treiben — !" Wie schauerlich klingt der Todesruf! Ein Schauder will Heinrich Dönhoff überlaufen, aber das wollüstige Gefühl gestillter Rache kämpft das Grauen nieder. Noch einen Augenblick bleibt er ruhig, dann hastet er über das Gangbrett am Schleusentor auf dem kleinen dornbewachsenen Felsen im Strom, der die äußere Mauer der Schleusenkammer trägt und an den sich das überspülte Wehr anschließt.
 
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