Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 51

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
51
Original-Paginierung
47 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233143
Content
H 47 ! ; Dönhoff fluchte vor sich hin: „Vielleicht ist er bei Franz Schütte. Auf jeden Fall wird er Nachkommen," dachte er. Vor Beginn der Fahrt aber durchsuchte er das Schiff in allen Ecken, warf sogar einen Blick in .den Verschlag der Leinläufer, ohne Heinrich zu finden. Dann trat er ans Steuer. „Los!" v , Die Leinläufer zogen an. Langsam bewegte sich das Schiff stromaufwärts. Dönhoff machte sich Vorwürfe. Er hätte schon am Nachmittag fahren sollen. Jetzt fragte es sich, ob er noch in's Gebiet der Kohlenzechen gelangen würde, denn die Ruhr stieg reißend. Er würde vielleicht den Gewinn einer Fahrt verlieren. Sein Zorn wuchs und lenkte sich gegen die unschuldigen Leinläufer, besonders gegen Karl. „Zieht fester," schrie er, „Ihr faulen Hunde", ich werde Euch Beine machen!" Nach einer Stunde war der Fluß derart gestiegen, daß das Schiff nicht mehr vom Fleck kam. Nachdem sie die Dokkumer Schleuse passiert hatten, sah er sich genötigt, anlegen zu lassen. Er ließ keinen Anker auswerfen, sondern nur die Leine an einem Ring der Ufermauer fest verknoten. Im Schleusenwirtshaus wollte er das Fallen des Wassers abwarten, was noch in der Nacht eintreffen konnte. Die Leinläufer waren völlig erschöpft und durchnäßt und boten einen elenden Anblick, der ihn fast einen Augenblick rühren wollte. Dann erinnerte er sich aber wieder des Vorfalls im Anker. „Karl, Du bewachst das Schiff," rief er, und zum andern gewendet: „Du kannst mit hereinkommen!" „Daß Du Acht gibst, wenn mein Sohn kommt," schrie er noch von der Schenktür zurück durch den heulenden Sturm. Karl setzte sich an den Mastschuh, der Schlagseite gegenüber, wo er einigen Schutz vor dem Regen hatte und den Leinpfad überschauen konnte, der von den breiten Lichtstreifen erhellt wurde, die aus beit. Fenstern der Schenke fielen. Das Wasser rauschte und brauste am Bug des Kahnes, plätscherte unter dem Boden und klatschte an die Langseiten. Er sorgte sich um Heinrich, hauptsächlich wegen der Fichterniß, die so dicht war, daß er die regennassen Deckplanken des Kahnes kaum einige Fuß weit zu überblicken vermochte. Obgleich die Luft lau und milde wehte, fror ihn doch in seinen triefenden Kleidern; der Bruder hatte ihn nicht so gestellt, daß er einen zweiten Anzug besaß, um sich umkleiden zu können. Es hätte auch nicht viel geholfen. In der Schenke saß Heinrich Dönhoff mit dem Leinläufer an einem Tisch, denn es war keine andere Gesellschaft vorhanden, und der Wirt schnarchte in einer Ecke. Der Leinläufer war stolz über die ihm widerfahrene Ehrung und glaubte sich nicht besser dafür erkenntlich erweisen zu können, als, indem er seinen Gefährten nach Kräften herabsetzte. Eine Aeußerung seines Herrn hatte ihm diesen Weg gewiesen und seine Zustimmung bestärkte ihn in dem Bewußtsein, die rechte Richtung einge-. schlagen zu haben. Allmählich ward die Sprache des Verläumders stammelnd und undeutlich, denn der Branntwein, den der Schiffsherr spendierte, war gut. Schließlich lag der Lein-läufer aller Sinne ohnmächtig auf den schmutzigen Dielen des. Bodens und Heinrich Dönhoff war mit seinen.Gedanken allein. Sie beschäftigten sich mit den Ereignissen des Nachmittags, mit dem. Ausbleiben des Sohnes, der wohl wegen des schlechten Wetters bei den Mülheimer Verwandten geblieben war, und kehrten beharrlich und hartnäckig stets zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Wie er diesen Bruder haßte! Zwar vermeinte er ihn all' die Jahre, die jener ihm diente, ihn gehaßt zu haben, das war aber fast Liebe gewesen gegen das Gefühl, i
 
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