Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 47

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
47
Original-Paginierung
43 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233101
Content
" ; ™ ; •: 43 schwankenden Schritte bewiesen hinlänglich, daß die Röte seines Gesichtes nicht .allein auf Rechnung der Kälte zu setzen war. Die Augen standen ihm stier im Kopf und die Stimme lallte. Er versuchte Stina zu umarmen und wollte ihr einen Kuß geben. ' Die junge Frau stieß ihn aber zurück. „Du bist betrunken, Heinrich! Scheinst mit Franz Schütte wieder in den Kneipen herumgelungert zu haben." „Das geht Dich nichts an, Du — Du „Das geht mich sehr viel an," gab sie erregt zurück, „ich bin Deine Frau." Darauf schlug ihr der Trunkene mit der Faust in's Gesicht, daß das Blut aus Mund und Nase schoß. Karl stürzte sich auf den Rasenden, der wie ein Tier zu wüten begann. Erst mit Antons Unterstützung gelang es ihm, jenen zu bezwingen und in's Bett zu schaffen. Als er nach einer Weile wieder mit dem Knecht in die Küche trat, wo die Mißhandelte nicht mehr weilte, sagte dieser trocken: „Das soll nun wohl noch öfter so kommen. Die Schiffer sind alle so." Und treuherzig fügte er hinzu: „Ihr hättet die Stina haben müssen; er hat sie ja doch nur des Geldes wegen geheiratet. Aber freilich, Ihr seid der Jüngere und habt kein Eigen." . Karl stürmte in das Schneetreiben hinaus. „Das soll nun wohl noch öfter so kommen!" rief es in seinem Innern mit grellen Tönen. Das war die Stimme der alten uiedergetreteuen und mißhandelten Liebe, die wieder in ihm lebendig ward. Ohne P an und Ziel lief , er durch die Nacht. Bald sank er bis zu den Knieen in den weichen Jungschnee, bald klang hell der vom Winde reingefegte festgefrorene Boden unter seinen eilenden Tritten. Er schlug unwillkürlich den Weg ein, den er tagsüber so oft zurückgelegt hatte; durch den Buchenwald, den Hang hinab, den Fluß entlang, bis- winselndes Hundegeheul ihn ausschreckte. Er war an Tante Traudchens Hof. Keuchend und schweiß-bedeckt hastete er über die Wiese, zwischen den bizarr gekrümmten Obstbäumen hindurch, deren Stämme wie schwarze erfrorene Schlangen auf den leuchtenden Schnee zu liegen schienen, und'sprang mit einem Satz in die Küche, wo das Gesinde beim Besperbröt saß, Tante Traudchen oben am Kopfende des Tisches. „Was gibt's?" schrieen alle zugleich. . „Was gibt's?" wiederholte Tante Traudchen und brachte mit einem scharfen Blick die Dienstleute zum Schweigen. ' „Er hat sie geschlagen," keuchte Karl. „Der Heinrich die Stina? Das, macht.nichts, das ist zu Zeiten ganz gesund," entgegnete Tante Traudchen. „Je mehr man den Teig schlägt, desto bester wird das Brot." ' . ¦V; Durch das unauslöschliche Gelächter, das sich darauf erhob, schrie sie ihm weiter zu: „Komm, setz' Dich und iß einen Bissen mit uns!" Karl aber schlich schon müden Schrittes denselben Weg zurück, den er gekommen war. Er grübelte und sann, überlegte und dachte noch den ganzen Abend hindurch und auch während der ganzen Nacht, indeß der Trunkene im Schlafe schrie und stöhnte. . Da ging ihm nochmals Alles durch den Sinn, was. er noch von seinem Leben zu hoffen hatte. Es war nicht viel; Alles was er erlangen konnte war eine Art Freiheit, wenn er sich von seiner Sippe lossagte und auf sich selbst stellte; bernit ein hinreichend Stückchen Brod und eine ungeliebte. Frau. Ja, lieben würde er nie mehr können, das war gewiß. Seine Liebe würde sich in den aufre benden Kämpfen mit seinem Willen über kurz oder lang erschöpfen, denn Stina war ja die Frau seines Bruders. Wer aber konnte es ' ihm wehren, an sie zu denken wie an eine gute Schwester, für sie zu sorgen und sie zu schützen vor ihrem Manne, der, ein Trunkenbold ''V: '
 
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