Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 44

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
44
Original-Paginierung
40 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233078
Content
40 wir nicht morgen Abend Verlobung feiern könnten." Da Karl schwieg, fuhr er schärfer fort: „Damit Du Dich darnach richten kannst: hier wirst Du nicht mehr lang gefuttert, das merk' Dir, Freund! Stina kann mit Anton leicht alles schaffen, und Du brauchst hier nicht in den Ecken herumzulungern, während ich mich abschinde. Komm zu mir auf's Schiff, da gibt's Arbeit alle Hände voll." Der Gescholtene machte eine ablehnende Bewegung. „Brauchst Dich nicht zu zieren," höhnte der Andere unbarmherzig weiter. Hast Dich doch lang genug nach Arbeit umgeschaut und nichts gefunden. Ja, wundere Dich nur, daß ich es weiß —" „Zu Tisch!" rief Stina. „Komm jetzt nur zum Essen. Du weißt nun, wonach Du Dich zu richten hast." Karl stiegen die Tränen heiß in die Augen, aber er bezwang sich, denn Anton schaute ihn verwundert an, und der gefühllose Bruder sollte ihn nicht weich sehen, um weiter seinen Spott an ihm auszulassen. Es war ein stilles trauriges Abendessen. Nach dem Tischgebet ging der Knecht hinaus, und Heinrich begann mit Stina angelegentlich zu plaudern, folgte ihr bei der Arbeit überallhin und ließ sie keinen Augenblick mehr von seiner Seite. Karl ging in die kleine Kammer, in der vor kurzer Zeit die Leiche seines Vaters gelegen hatte, und riegelte die Tür hinter sich ab. Erst wanderte er hier mit großen Schritten unruhig auf und nieder; dann warf er sich auf einen Stuhl und weinte. Es ist bitter, fremd zu sein am eigenen Herd, bitterer, den Leuten fremd zu sein, mit denen man durch Bande des Bluts oder der Neigung verknüpft ist. Karl gedachte mit tiefer Wehmut des Mannes, der selten zart und mild, aber stets gerecht an ihm gehandelt hatte; das schwarze entstellte Antlitz, welches ihm in diesem Augenblick vor die Seele trat, hatte nichts Abschreckendes für ihn und er begann fast zu wünschen, es hätte auch ihn an jenem Tage der Tod ereilt. Dann aber schlug die Lust am Leben wieder mit lodernder Flamme in ihm empor. Er will nochmals mit Stina sprechen, ganz ruhig und ernst. Und er muß Erfolg haben, denn sie liebt Jenen ja nicht! Er denkt nicht weiter, als er bis hierhin gekommen ist, sondern malt sich die Zukunft aus, wie er sie an ihrer Seite verbringen wird, in stillem, wunschlosem Glück. Es wird ihm so wohl und leicht ums Herz, alles scheint ihm größer bedeutungsvoller: das bleiche Silberlicht der Sterne, die in voller Pracht am dunklen Nachthimmel flimmern, der durch die kleinen Fenster in die Kammer blickt, das Rauschen des Nachtwindes in den Bäumen am Hause. Er sitzt und sinnt noch lange und horcht auf das Quacken der Frösche fern im Sumpf, auf das Rascheln der Mäuse aus den Dielen. Plötzlich zuckt er zusammen, der Ellenbogen war ihm vom Knie geglitten. Er weiß nicht, ob er er geschlafen hat, meint aber, es müsse schon spät sein. Er schiebt den Riegel zurück und tritt in die Küche. Das Licht des Feuers und die beiden slackenden Oellampen auf dem Stollenschrank beizt seine Augen, die im Dunkeln blöde geworden sind, und es dauert eine geraume Weile, bis er klar blicken kann. Da sieht er seinen Bruder am Herd sitzen, wie er den Arm um die Hüften Stina's geschlungen hat, die mit dem Kopf an seiner Schulter lehnt. Ein leiser Wehlaut kommt über seine Lippen und er muß sich am Türpfosten festhalten, so zittern seine Kniee. „Da hat also der Duckmäuser gesteckt," lachte Heinrich. „Merkst Du nichts? Oder bist Du zu steif, uns zu gratulieren? Wir haben ms nämlich eben versprochen." Der Hohn wirkte auf Karl wie ein eiskalter Wasserstrahl und gab ihm seine Fassung wieder. Festen Schrittes gier g er über die mit knirschendem Sande bestreuten Steinfließen auf das Brautpaar zu und sprach leise und eintönig, aber ohne zu stocken: ! I !
 
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