Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 43

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
43
Original-Paginierung
39 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233068
Content
39 I waren in ber Ferne die Stimmen der beiden Leinläufer vernehmbar, die an langen Tauen den leeren Kahn stromaufwärts zogen. Die Wartenden sprachen über dieses und jenes in ruhigem leidenschaftslosen Ton. Karl hatte seine Augen auf das Mädchen gerichtet, das frisch und blühend in seinem blauen Leinenkleide vor ihm saß. Da stieg es seit langer Zeit wieder zum ersten Mal siedenheiß in ihm auf, und zu seinem eigenen Erstaunen faßte er den Mut, an Stinu die Frage zu richten, auf die ihm durchgrübelte Tage und durchwachte Nächte keine Antwort zu geben vermocht hatten. „Slina!" Sie schaute groß und voll zu ihm empor. „Was gibt's?" „Liebst Du ihn — meinen Bruder?" Statt aller Antwort schlug das Mädchen eine Helle Lache auf. „Die Leute sagen, ihr würdet ein Paar", setzte er, mutiger geworden, hinzu. „Dann wird'« auch wohl so stimmen", meinte sie schnippisch. Karl barg stöhnend das Gesicht in den schwieligen Händen. „Nun, nun", beschwichtigte sie, „die Mutter wills ja!" „Und wenn Du ihn ohne Liebe heiratest, so ist das eine große Sünde!" sprach er weinend. „Die wird wohl so groß nicht sein". „Du liebst ihn also nicht," jubelte der junge Mensch. Sie wurde sehr rot. „Das habe ich nicht gesagt," verteidigte Si-' sich, ließ aber zu, daß Karl ihre festen derben Finger in seine heißen Hände nahm und sie streichelte und drückte. Bald kam das Schiff so . nah. ans Ufer, daß die Bordwand die Zweige der ins Wasser niederhängenden Weiden streifte, und sie mußten von den Leinläusern bis hart, an den Felsen zurückweichen. Heinrich streckte eine lange mit einer Haken-spitze versehene Stange aus und faßte, den Henkel des Korbes, so sein Mittagbrot herüberholend. „Zieht doch die Jungfer auch mit an Bord?" grinste einer der Leinläufer. Heinrick» lachte: „Später, später!" Und das Schiff glitt weiter. „Er will mich auch!" sagte Stina, als sie auf dem Heimweg waren. Da.fie aber keine Antwort erhielt, schwieg sie mißmutig und schaute mit keinem Blick mehr zur.Seite: Kein Wort ward gewechselt bis zum Kotten. . % : 4. Sie saßen alle drei um den flammenden Herd, dess n Wärme sie die kühle Abendluft hatten aufsuchen Fassen: Heinrich, Karl und Slina. Vom Stall her drang das Pfeifen des Knechtes, „Die Geschäfte gehen besser.als ich dachte," erzählte Heinrich. ,Menu das so weiter geht —." Er blickte lächelnd vor sich hin, ohne seinen. Satz zu vollenden. Was gingen ändere Leute seine Zukunstshoffnungen an ? Dann sielen seine Blicke auf den Bruder. Karl saß neben Stina, sagte kein Wort Und blickte versonnen in die zackenden Flämmchen. Seine Finger spielten mit einen Zipfel von Stinas Schürze, und fast wie ein Lächeln' lag cs um seine Lippen. Ein böser Zug verzerrte Heinrichs wetterbraunes Gesicht. „Essen, Stina!" schrie er roh.. „Zum Teufel, ich habe Hunger." Das Mädchen gehorchte widerstandslos. Als Stina weit genug entfernt war, zischte er dem Bruder ins Ohr: Bald, gibts Í • Hochzeit. Morgen kommt Tante Traudchen und es müßte sonderbar zugehen, wenn 1'
 
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