Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 42

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
42
Original-Paginierung
38 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233052
Content
38 „Um Brot und Kartoffeln bis an mein Ende zu essen," gab dieser mit Hohn zurück. „Ueberdies sind das meine Sachen. Ich bin der Herr!" 3. Acht Tage nach dem Begräbnis des alten Dönhoff lag ein schmucker Kahn am Baldeneyer Fährhaus vor Anker. Der Rumpf war grüngestrichen, die Bordkante weiß. Kajüte und Steuer gelb, und die Eisenteile trugen einen glänzendroten s Mennigüberzug. Alles das machte einen hübschen soliden Eindruck. Der Verkauf des Kottens war gleich an dem Montag abgeschlossen worden, an welchem Heinrich den Schwager seines verstorbenen Vaters in Mülheim besucht hatte. Daraufhin hatte dieser gegen den landläufigen Zinsfuß; die zum Ankauf eines Kahnes notwendige Summe vorgeschossen. Ebenfalls hatte er seinem Verwandten einen Schiffsknecht geheuert, der das nicht ungefährliche Fahrwasser der Ruhr genau kannte, und beteiligte sich selbst an den ersten Fahrten. Karl Dönhoff betrieb mittlerweile mit Stina, der Tochter Traudchens, und dem Knecht Anton die Arbeiten auf dem Kotten, der erst nach Weihnachten in fremde Hände übergehen sollte. Es gab genug zu tun. Der Hafer stand noch auf dem Halm, die Kartoffeln waren noch in der Erde; dazu mußte das Vieh versorgt und der Roggen, welcher eine volle Ernte geliefert hatte, ausgedroschen werden. Stina besaß einen hellen Kopf und arbeitsgewohnte Arme. „Wir hätten ganz gut den Kotten halten können," dachte Karl ein ums andere Mal. Aber sein Bruder war ja der Herr und hatte das Vatererbe verkauft. Stina hielt es auch so für besser wie es jetzt war; ihr gefiel das Schifferhandwerk ausnehmend, und der Bruder hatte sie einmal sogar mitfahren lassen bis nach Duisburg, bis an den Rhein. Die beiden würden wohl ein Paar werden, wie die Leute sagten. Wenn Karl hieran dachte, geriet sein Blut jedesmal in eine eigentümliche Wallung, die er sich anfänglich nicht zu erklären vermochte, bis ihm eines Tages . der Gedanke kam, er liebe Stina. Seit diesem Tage wurde er noch stiller, und er mühte sich wochenlang ohne Erfolg, jenes Gefühl aus seinem Herzen zu reißen, von dem er wußte, daß es den Plänen seines Bruders entgegenstehe. „Aber soll jener denn alles haben?" fragte eine Stimme in ihm. „Jedoch auch er liebt sie vielleicht", sprach sein Herz dagegen. Dennoch unterließ er es von nun an nicht, sich in der Umgegend nach lohnender Arbeit zu erkundigen. Allein seine Bemühungen waren vergeblich, da er sich an jenem schrecklichen Tage, da der Tod seinen Vater hinwegraffte und auch ihn schon mit seinem eisigen Hauche streifte, ein heiliges Versprechen gegeben hatte, nie mehr in der Zeche zu arbeiten, und es mir in der Erde dauernden und hohen Verdienst gab, so unterließ er bald nach dieser Seite hin jede,Anstrengung. An einem jener goldenen Herbsttage, deren st-llc Wehmut jeden Menschen ergreift, saßen Karl und Stina am kiesbedeckten Ufer des Flusses. Wenige Schritte hinter ihnen erhob sich der Fels steilrecht zu den massigen weißen Wolken, die im blassen Blau des Himmels ihre stillen Bahnen zogen. Schon lagen bunte Tinten auf den Laubmassen des hochstämmigen Buchenwaldes, der den oberen Saum der Felswand bekrönte. Die Sträucher der wilden Rosen, welche an ihrem Fuße wucherten, trugen glänzendrote Hagebutten und waren von dem silbernen Gespinnst der Marienfäden umsponnen. Mit rauhem Geschrei strebte ein Krauichzug südlichen Gefilden zu. Stina hatte ein Körbchen an ihrer Seite, welches das Mittagessen für Heinrich Dönhoff enthielt, welcher mit seinem Schiff hier entlang kommen mußte und keinen Aufenthalt nehmen wollte, um noch vor Abend eine neue Fracht aufzunehmen. Schon E É I f V' ¦
 
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