Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 38

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
38
Original-Paginierung
34 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233016
Content
34 seine Kameraden mit weniger Sorge und minderer Gefahr am folgenden Arbeitstage einfachen. können. Mit minderer Gefahr, denn der Bergmann trägt stets sein Todtenhemd auf dem Leibe, da er weiß, daß die Tiefe ihn eines Tages verschlingen kann, wie sie schon oft einen seiner Kameraden verschlungen hat. Und dennoch liebt der Knappe seinen gefahrvollen Beruf und ist stolz auf ihn. „Es stimmt nicht," sagte der alte Dönhoff zu seinen Söhnen, wie schwül der Luftzug von der Ruhr hereinzieht? Auch die Pferde sind unruhig und reißen an den Fesseln." t . Seine letzten Worte bezogen sich auf jene armen Tiere, welche btc menschliche Gewinnsucht für immer von dem Licht der Sonne zu angestrengter Arbeit in dis Stollen verbannte, und die nach Beendigung ihrer Arbeit in irgend einer, geräumigen Höhlung der Grube eingestallt werden. Ihr Schnauben und Stampfen drang vernehmlich zu den Dreien herüber. „Du magst Recht haben," sagte Karl, der Jüngste, zu seinem Vater gewendet, „aber wir müssen noch vor Ort die Decke stützen. Der Fels ist faul und locker, und es sind viele Kohlen im Laufe der Schicht dort losgeschlagen worden." „Können auch bis Montag warten," meinte Heinrich unwirsch. „Magst gehen, wenn du willst," tadelte der Alte. „Braucht Keiner von Euch hierzubleiben. Nur mich hält die Pflicht hier fest, und zwar so lange, bis ich nach besten Kräften überall vorgesorgt habe. Wenn Du Dich aber fürchtest, Heinrich —" Der Spott traf ihn. „Ich. fürchte den Teufel nicht, wenn's d'rauf ankommt," gab er mit höhnischem Lachen zurück. „Heinrich!" schrieen Vater Dönhoff und sein jüngster Sohn zugleich, während der Alte die Hand drohend wie zum Schlage , erhob und mit heiligem Ernst den Frevler warntet „Unterlaß Dein gottloses Gerede wenigstens hier, wo der Tod Dir so nahe ist wie Dein Schatten!" Schweigend schritten darauf die Drei in den schmäleren Seitengang linker Hand, in dem man tagsüber Kohlen gefördert hatte. Er führte durch faules, schieferiges Gestein und war daher vollständig ausgezimmert; schwere Stempel aus unverweslichem Eichenholz trugen ein Dach aus zolldicken Planken, auf denen der Fels ruhte. Nun galt es die Zimmerung dort weiter zu führen, wo man tagsüber den Stollen verlängert chatte. Es war wohl noch eine Stunde Arbeit. Die Männer machten sich unverzüglich an's Werk. Einer löblichen Gewohnheit folgend — unsere Geschichte spielt im Jahre 1834, und die neue Zeit hat vieles geändert — betete der Vater den Rosenkranz mit halblauter Stimme und die Söhne antworteten. Heinrich gleichgiltig und widerwillig, Karl mit frommer Andacht. Die Arbeit nahm rüstig ihren Fortgang. Man war schon damit beschäftigt, das letzte Pfeilerpaar aufzustellen, als die angekoppelten Pferde plötzlich ein schreckliches Geschrei ausstießen und mit den eisenbeschlagenen Hufen wider die hölzernen Scheidewände donnerten. Wenn es von Zeit zu Zeit einen Augenblick ruhiger wurde, vernahm man einen hellen langgezogenen Ton wie das schrille Pfeifen eines Knaben. : Merkt ihr, ' fl Entsetzen lähmt die Dönhoffs; todtenbleich und zitternd starren sie einander an. „Der Bläser! Die schlagenden Wetter werden frei! — Die Lampen aus!" Noch einen Augenblick schimmern die Wasseradern an den Felsen wie gleißende Schlangen im roten Schein der offenen brennenden Oellampen; dann erlöschen die drei Flammen und die tobte, öde Finsternis hüllt die Lebenden in die dichten Falten ihres schwarzen Gewandes. I;
 
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