Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904 - Seite 37

Buchtitel
Illustrierter Braunauer-Kalender für das Jahr 1904
Buchbeschreibung
Kalender und Adressbuch für die Gerichtsbezirke Braunau, Mauerkirchen, Mattighofen und Wildshut.
Fortlaufende Paginierung
37
Original-Paginierung
33 (Arabian)
Werbeseite
nein
Kategorie
Hauptteil
URN
urn:nbn:at:AT-OOeLB-1233006
Content
¦ • » s . Zwei Brüder. Erzählung aus dem Ruhrthal von Gustav Rapport. Nachdruck verboten.) 1. Ill^m schwüler Juli-Nachmittag liegt über den gelben Getreidefeldern, wo hundert ll||j fleißige Hände sich regen, den Rest der goldenen Garben auf die hochgetürmten Leiterwagen zu laden; denn von Süden her, wo die Schlote der Kreisstadt qualmen, kommt es so fahlgrau hergezogen und drückt die wirbelnden Dampfwolken zu Boden — ein finsterer, stellenweise mit rötlichen und grellweißen Lichtern durchsetzter Schwaden, der schon hin und wieder ein unheimliches Murren ausstößt, wie ein Raubtier vor dem Sprunge. Von Minute zu Minute wird es heißer und stiller; kein Vogel singt mehr in dem dichten Astgewirr der Buschhecken, deren Blätter welk und matt an den Stielen hängen und unter dem Einfluß der sengenden Hitze einen scharfen, betäubenden Geruch ausströmen; selten noch läßt sich zaghaft ein bängliches Zirpen vernehmen und sogar die lustigen Grillen haben auf den Feldern und an den Wegen ihr schrilles Geigen eingestellt. Und doch steht die Sonne hoch am Himmel und sendet unbarmherzig ihre glühenden Pfeile auf die verschmachtende Erde. Noch hat sie einen guten Teil ihres Bogens zu durchmessen, bevor sie hinter die blaudämmernden Höhenzüge jenseits der Ruhr hinabtauchen kann und die Glocke zum Angelus ertönt, welche heute zugleich, den Abend und den Sonntag einläuten wird. Während hier im hellen Licht des Tages das Joch mühseliger Arbeit jede lebende Kreatur gefesselt hält, hat 200 Fuß unter den sonndurchglühten Feldern in der ewigen Nacht, in die nie ein Schimmer des Tageslichtes dringt, der nahende Sonntag dem rauhen, ernsten Schaffen der Woche schon Einhalt geboten. Die Rotte der Knappen hat die ausgedehnten Stollen der Kohlenzeche „Wasserschneppe" seit einer halben Stunde verlassen. Das Hämmern und Schürfen der Gezähe am Gestein ist verstummt; nur das Wasser in der Seige rauscht sein monotones Lied und eilt in schneller Strömung dem Ausgang des Stollens zu, der sich viertausend Schritte lang durch den geheimnisvollen Schoß der Erde windet, um am Fuße der waldigen Berge in's Ruhrtal auszumünden. Wo sich tief im Eingeweide der Felsen der Hauptstollen in eine Anzahl von Seitengängen verzweigt, die zu den Kohlenflötzen führen, flimmern drei Lichtchen in rötlichem Schein und zittern, als ob sie sich vor dem Dunkel fürchteten, das sie von allen Seiten umdrängt und ihr schwaches Leuchten zu verschlingen droht. Bei den drei Lichtchen weilt der alte Dönhoff mit Heinrich und Karl, seinen beiden Söhnen. Als ältester Knappe der Belegschaft hat er das verantwortungsvolle Amt, am Ende jeder Schicht überall in der Grube nach dem Rechten zu schauen, damit 3
 
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